Relegation: SV Waldhof Mannheim – KFC Uerdingen

27.05.2018
3.Liga Relegation
SV Waldhof Mannheim - KFC Uerdingen
Carl-Benz-Stadion
Endergebnis: Abbruch (1:2)
Zuschauer: 24.263 (ca. 3.000 Gäste)
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Sieg oder Spielabbruch! Selten traf dieses ominöse Motto mehr zu als beim Relegationsspiel zwischen Mannheim und Uerdingen. Doch von Anfang. Da mein Heimatverein diese Saison ausnahmsweise mal nicht in den Playoffs zur dritten Liga scheitern darf, suchte man schon früh händeringend nach Möglichkeiten, die ansonsten fussballfreie Zeit gebührend zu überbrücken. Und was käme da eher in den Sinn, als den beiden Leidgenossen aus der Südwest-Staffel beizuwohnen und ihnen zu wünschen, endlich aus diesem Albtraum zu entfliehen?

Da sich die Geschichte mit 1860 in Sachen Tickets schneller erledigte als man überhaupt den Laptop anwerfen konnte, freute man sich umso mehr darüber, dass man noch Karten fürs Rückspiel beim SV Waldhof ergattern konnte. Dieser musste gegen den Westvertreter KFC Uerdingen ran, seines Zeichens ja bekanntlich auf dem möglichen Durchmarsch von der Oberliga in die 3.Liga. Wie, warum und weshalb da irgendein reicher Russe seine Finger im Spiel hat soll jetzt mal nicht das Thema sein, zumal Krefeld ja sportlich alles andere als ein unbeschriebenes Blatt ist und definitiv auch drittligatauglich sein dürfte.

Für Mannheim sollte es indes die dritte Relegation in Folge sein, nachdem die Blau-Schwarzen in den Vorjahren an Lotte und Meppen scheiterten. Schlimmer noch: Es gelang dem SVW in all diesen Spielen noch nicht einmal ein Tor. Und auch dieses Mal gestaltete sich die Ausgangslage fürs Rückspiel alles andere als rosig, da der KFC das Hinspiel mit 1:0 gewinnen konnte. Zwei Tore mussten also her, und das vor einem ausverkauften Carl-Benz-Stadion. Hört sich doch irgendwie machbar an, weshalb man mit großer Lust auf ein packendes Duell Sonntagmorgens aufbrach.

Als Anreiseobjekt entschieden wir uns recht schnell dank guter Verbindung für die Bahn, mit der man die Strecke in gut zweieinhalb Stunden runterspulte. Danach vertraten wir uns zunächst in der Innenstadt die Beine, wo gerade das Mannheimer Stadtfest stattfand, bevor es per Pedes zum Neckar ging. Bei knappen 30° flanierten wir am Fluss entlang zum Fernsehturm und wenig später in Richtung Stadion, wo man über kleine Pfade entlang des Louisenparks letztendlich am Gästeblock herausgespült wurde.

Die gerade ankommenden Gästescharen durchquerend gings zum Haupteingang, wo man sich wieder einen Weg durch die Massen bahnen musste. Hatte in diesem Moment echt was von Fussball jenseits der Viertklassigkeit, was sich auch im Weiteren fortsetzen sollte. Eine dreiviertel Stunde vor Anpfiff bestiegen wir die Stufen des Block O und liesen uns am oberen Ende nieder, perfekter Blick auf die Heimkurve und den Gästeblock inbegriffen. Und schon früh offerierten beide Seite Einblick in die Sangeskraft, die in den jeweiligen Kurven steckte. Die Zeit bis zum Anstoss verging demnach beim Betrachten des sich schnell füllende Stadion zügig, während der Anblick von Choreovorbereitungen auf beiden Seiten schonmal für gute Stimmung sorgte.

Und die beiden optischen Aktionen zum Anstoss hatten es in sich: Auf Seiten der Otto-Siffling-Tribüne, Standort der Ultras Mannheim und anderer aktiver Gruppen, erblickte kurz vor Anpfiff ein Friedhof das Licht der Welt, welcher per Seilkonstruktion hochgezogen wurde und mit Totengräbermusik einherging. Den Hintergrund bildeten schwarze Papptafeln sowie zahllose Dosen schwarzer Rauch, der das halbe Stadion einnebelte, während ein an der Front befestigtes Spruchband das Motto preisgab: „Schon tausend Mal für tot erklärt…“. Dieses änderte sich in der Folge zu „Doch heute werdet ihr eines Besseren belehrt“ zu dem sich die Papptafeln auf Kommando in Blau änderten. Auch der Rauch wechselte nun zu einem strahlendes Blau, aus dessen Schwaden sich ein Zombie erhob, der ebenfalls per Seilkonstruktion gen Himmel gezogen wurde.

Eine absolut grandiose Choreo, die nicht nur eindrucksvoll wirkte, sondern auch perfekt umgesetzt wurde. Etwas störend empfand man dabei ein einzelnes verlorenes Bengalo im oberen Bereich der Tribüne, welches kurze Zeit später von zwei Böllern begleitet wurde. Während die Optik schonmal mächtig beeindruckte, haute uns spätestens die Akustik förmlich vom Hocker. Mit minutenlanger hundertprozentiger Mitmachquote riss die Hintertortribüne fast das Stadion ab und sorgte mit ihrer brachialen Lautstärke nicht nur für einen Tinnitus, sondern auch mehrmals für Gänsehaut. Oftmals beteiligte sich auch der Rest des Stadions an den Gesängen, oder klatschte zumindest mit.

Kaum zu erwähnen sollte dabei die Tatsache sein, dass man von den gut 3.000 Gästen quasi nichts zu hören bekam. Unter dem Motto „Zu neuen Ufern goldenen Zeiten bis ganz nach oben wollen wir schreiten“ zeigten die Krefelder ebenfalls eine optische Aktion bestehend aus roten und blauen Ponchos, die zum Anpfiff jedoch wieder abgelegt wurden. Bei der direkten Sonneneinstrahlung auf deren Block aber auch verständlich.

Optisch machten die Anhänger des KFC ebenfalls einen guten Eindruck: Gerade bei Klatsch- und Hüpfeinlagen beteiligten sich nahezu alle Mitgereisten, während manch Wechselgesang tatsächlich zu uns durchdringen sollte. Da man aber Uerdingen an diesem Tag zum persönlich ersten Mal sah, fehlt mir natürlich ein wenig die Grundlage für einen echten ersten Eindruck.

Viel geboten also auf beiden Seiten, sodass man mal wieder den Anstoss verpasste. Doch der folgende Kick, in dem die Waldhöfer wie erwähnt dringend zwei Tore brauchten, schaffte es irgendwie nicht wirklich zu begeistern. Mannheim wirkte offensiv viel zu ängstlich um den Eindruck zu erwecken, hier heute ernsthaft etwas reißen zu wollen, während die Gäste mit ihrem gefährlichen Konterspiel die bessere Taktik wählten. Aus einem dieser Angriffe resultierte in der 29. Minute das 0:1, dass den Gästeblock zum ersten Mal zur Eskalation brachte. Kleiner Makel sollte dabei jedoch die Tatsache gewesen sein, dass der Ball kurz vor dem entscheidenden Pass die Torauslinie überquerte, was der Linienrichter aus seiner Position jedoch nicht sehen konnte.

Während die Mannschaft des SVW den Rückstand erstaunlich gut wegsteckte, wurde es neben dem Gästeblock plötzlich hektisch. Einige Krefelder überstiegen den Zaun und lieferten sich einen kurzen Schlagabtausch mit Mannheimern, die im benachbarten Block untergebracht wurden. Genau in dieser Situation fiel plötzlich der Ausgleich, woraufhin das Stadion tobte und Blau-Schwarz vom mittlerweile benötigten Wunder weiter träumen ließ. Aufgrund der anhaltenden Probleme durch das Handgemenge auf der Tribüne schalteten sich die Behelmten zum ersten Mal ein, woraufhin das Spiel für einen kurzen Moment unterbrochen werden musste.

Wenige Minuten nach Wiederanpfiff spielte plötzlich wieder Uerdingen wie losgelöst von der Bedeutung des Spiels und erzielte per Traumtor das 1:2 in der 39. Minute. Mit vermeintlicher (eigentlich fast schon sicherer) Vorentscheidung im Gepäck ließen es sich die Spieler des KFC nicht nehmen, provokativ vor der Mannheimer Kurve zu jubeln, woraufhin hunderte Choreoelemente auf das Spielfeld wanderten. Unsportlich hoch zehn von den Krefeldern, was denen in diesem Moment aber sicherlich egal war. Der Gästeblock drehte unterdessen komplett am Rad und verschaffte sich lautstark Gehör, woraufhin auch die Otto-Siffling-Tribüne nochmal alles gab und ordentlich dagegen hielt. In Sachen Stimmung dürfte das Spiel definitiv eines der Highlights der Saison darstellten.

Die folgende Halbzeitpause nutzte man zum Durchatmen von der turbulenten Partei, bevor das Schauspiel auf dem Rasen unverändert weiterging. Mannheim blieb am Ball, wusste mit selbigem aber nichts anzufangen, sodass die Angriffsbemühungen mehr schlecht als recht irgendwo im Halbfeld versandeten. Die Ultras Krefeld feierten unterdessen in der 70. Minute schon den Aufstieg mit einer Pyroshow bestehend aus sechs Bengalen, etlichen Blinkern sowie blauem und gelbem Rauch, während die Stimmung bei den Heimfans immer mehr abflachte.

Etwa zur gleichen Zeit stellte UM die Unterstützung komplett ein und hängte sämtliche Fahnen ab. Die Gäste skandierten unterdessen lautstark „4.Liga nie mehr“, während die Enttäuschung der Mannheimer mehr als greifbar war. Einmal in der Relegation zu scheitern ist schon hart, aber drei Mal hintereinander? Sowas wünscht man wirklich niemandem.

Spätestens ab dem Zeitpunkt, als sich auch die Mannheimer Mannschaft aufgab, platzte dem schwarz-blauen Anhang der Kragen. In der 82. Minute erhellten zahlreiche Bengalen die Otto-Siffling-Tribüne, die zusammen mit schwarzem Rauch und auf dem Platz entsorgten Böllern für die zweite Spielunterbechung sorgten. In der Folge entlud sich ein komplettes Arsenal an Pyrotechnik auf das Spielfeld und innerhalb des Blocks. Nahezu im Sekundentakt explodierten Vogelschrecks und sonstige Knaller, während die Leuchtraketen und Fontänen etwas von Silvester hatten.

Währenddessen entfachten einige Anhänger kleine Feuer im Heimbereich, indem sie die Papptafeln der Choreo verbrannten. Und auch der Zaun wurde in Mitleidenschaft gezogen, auch wenn er den Tritten und Rüttelattacken überraschend standhielt. Zwanzig Minuten dauerte das Schauspiel, während die Gästefans ihren sicher geglaubten Aufstieg lautstark feierten. Nachdem sich die Situation etwas beruhigte und die Spieler gerade wieder den Platz betraten, flogen erneut unzählige Böller auf den Rasen, was den Schiedsrichter letztendlich dazu bewog, das Spiel komplett abzubrechen.

Der Schlusspfiff ging in der kollektiven Jubelorgie der Gästefans nahezu unter, die in der Folge mit ihrer Mannschaft den Aufstieg in die dritte Liga feierten. Sportlich ging der Sieg für Uerdingen an diesem Tag ebenfalls voll in Ordnung, das steht außer Frage. Doch zu welchen Kosten? Klar, Meister müssen aufsteigen und Mannheim war eben nur Zweiter, doch genügt dies als Entschuldigung und als Rechtfertigung zum dritten Klassenverbleib in Folge? Ohne den Abbruch und die teils gewalttätigen Ausschreitungen in irgendeiner Weise relativieren zu wollen, kann ich den Frust eines jeden Waldhof Fans in diesem Moment absolut nachvollziehen. Da spielst du eine klasse Saison, und das sogar drei Mal hintereinander, und stehst am Ende dennoch in der gleichen Liga mit leeren Händen da.

Es handelt sich schlichtweg um ein hausgemachtes Problem des DFB, worüber Krefelds Spieler Maxi Beister nach dem Spiel auch die richtigen Worte fand. Der KFC darf sich hingegen freuen. Er stellte sich als Sieger eines perversen Systems heraus, das lediglich von den in diesen Tagen hohen Einschaltquoten lebt, welches glücklicherweise in diesem Jahr zumindest vorerst sein Ende findet. Mannheim bleibt indes weiter Regionalligist und muss durch die vermutlich immensen Strafen einmal mehr um seine Existenz bangen. Bis zu 100.000€ stehen für einen selbst herbeigeführten Spielabbruch im Raum. Heftig.

Trauriger Dritter des Tages, was in diesem Moment auch nicht unerwähnt bleiben sollte, ist die TuS Koblenz. Nachdem Mannheim als auch Saarbrücken ihre Relegationen jeweils in den Sand setzten, muss die TuS den bitteren Gang in die Oberliga antreten.

Nach kurzem Blick auf die feiernden Gäste verliesen auch wir wieder das Stadion, bevor es zu Fuß zur nächsten Tram-Halte am Neckar ging. Am Hauptbahnhof gabs noch etwas zwischen die Kiefer, ehe man den nächsten Zug gen Trier nahm und knapp drei Stunden später wieder in der Heimat eintrudelte.

Beim durchstöbern der Nachrichten am nächsten Tag wurde man auf erste Konsequenzen des Abbruchs aufmerksam. Da das Spiel wahrscheinlich mit 0:2 für Uerdingen gewertet werden wird, stünde damit auch im sechsten Relegationsspiel kein Tor auf Mannheims Habenseite. Zudem reagierte der Verein mit harten Repressionen gegenüber seinen eigenen Fans, die unter anderem eine Anmeldepflicht von Choreos sowie die Schließung der selbstverwalteten Otto-Siffling-Tribüne mit einhergehendem Umzug des Stimmungszentrums in die Eckblöcke vorsehen.

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Es bleibt demnach abzuwarten, wie sich die Situation rund um den SVW über die Sommerpause entwickelt und ob der Verein trotz womöglich drakonischer Strafen nächste Spielzeit wieder oben angreifen kann (in der ja bekanntlich der erste Platz zum direkten Aufstieg ganz ohne Relegation reichen wird). Denn eines steht fest: Wie auch Saarbrücken und Offenbach, war, ist und bleibt Mannheim einfach zu groß für Liga 4, was die grandiose Kurve in dieser Partie einmal mehr unter Beweis stellte.