Ligue 1: FC Metz – SCO Angers

06.05.2018
36. Spieltag Ligue 1
FC Metz - SCO Angers
Stade Saint-Symphorien
Endergebnis: 1:2 (1:0)
Zuschauer: 13.295 (25 Gäste)
Fotoalbum

Mit dem Stade Saint-Symphorien stand letzten Sonntag ein wortwörtlich großer Brocken an. Hatte man zwar auch schon öfter auf dem Zettel, doch für eine finale Tourplanung sollte es nie reichen. Die aktuell miserable sportliche Situation des Erstligaclubs FC Metz sowie die allgemein schweineteuren Ticketpreise von bis zu 50€ für nen Sitzer lieferten bislang genügend Argumente gegen einen Besuch.

Doch bei einer Recherche ein paar Tage zuvor wurde man plötzlich auf eine Ticketaktion aufmerksam. Für einheitliche zehn Euro für einen Hintertorplatz bzw. fünfzehn Euro für eine Seitentribüne warb man um die Gunst der Zuschauer gegen den eher namenlosen Gast aus Angers. Da man aktuell (noch) bei Derbys oder allgemein interessanten Gegnern sowieso nicht mit Gästefans zu rechnen braucht und der Star des Besuchs sowieso das Stadion war, blockte man sich kurzerhand den kompletten Sonntag für einen Tagesausflug nach Metz.

Mit Kev wurde auch noch ein dritter Mittfahrer gefunden, sodass sich unser Gefährt am frühen Sonntagmittag vom Saarland aus in Richtung Landesgrenze in Bewegung setzte. Wir Mautsparfüchse nahmen natürlich die Landstraßen, die sich ausnahmsweise einmal nicht als Buckelpisten herausstellten, und erreichten die ehemalige Hauptstadt Lothringens in weniger als 90 Minuten. Geparkt wurde, dank des Sonntages, für lau in Mitten einer Allee.

Mit dem Anpfiff um fünf Uhr war noch genügend Zeit für einen Rundgang durch die Metzer Altstadt, die vom Fleck weg zu gefallen wusste. Alte Häuser im für Frankreich typischen Braunton formten enge Gassen mit unzähligen Geschäften, Bars und Restaurants. Auf der Suche nach einem für uns geeigneten Etablissement zwecks Mittagessen stellten sich die offenen Läden jedoch schnell als weniger Geldbeutelschonend heraus. Da kann die Mini-Pizza noch so gut sein wie sie will, aber knapp 15€ wird sie es nicht Wert sein.

Fündig wurden wir aber dennoch, und zwar in einem kleinen Burgerladen in einer Seitenstraße. Kostengünstig konnten hier Burger mit Fritten sowie ein frischer Wrap mit Hühnchen vertilgt werden, wobei die komplette Reisetruppe dem Futter die Note „schmeckt“ verlieh. Gestärkt gings wieder in die Altstadt, wo neben der gigantischen Kathedrale Saint-Étienne der ehemalige Domplatz, der Jakobsplatz sowie der Temple Neuf de Metz an der Mosel besichtigt wurden. Wunderschöne Stadt, die auch einen weiteren Besuch wert ist.

Glücklicherweise spielte unserem Unterfangen auch das Wetter in die Karten, welches den Tag mit wolkenfreiem Himmel und angenehmen 28° garnierte. Kann man haben! Leider konnte innerhalb der uns zur Verfügung stehenden drei Stunden nicht alle Sehenswürdigkeiten abgehakt werden. Denn das anstehende Spiel rief uns so langsam zu sich.

Eine gute Stunde vor Spielbeginn schlenderte man am Moselkanal entlang in Richtung Stade Saint-Symphorien, welches direkt auf der anderen Seite des Flusses auf einer weitläufigen Insel errichtet wurde. Schon vom weiten machte der von Bäumen umgebene Bau echt was her und lies seine riesige Größe erahnen. Ortsunkundig suchte man erstmal eine Möglichkeit zum Ticketkauf, da man im Vorhinein von den online zur Verfügung stehenden e-Tickets größtmöglichen Abstand nehmen wollte. Doch es wollte sich partout nichts finden lassen, sodass wir plötzlich an den Stadiontoren standen.

Die Schleuse erwies sich jedoch schnell als reine Sicherheitskontrolle, sodass man immer noch ticketlos im Umlaufbereich des Stadions umherirrte. Kurze Zeit später konnten aber die Verkaufsstände am anderen Ende der Tribüne ausgemacht werden, wo wir unsere Billets auf einer Mischung aus schlechtem Französisch und Englisch bestellten. Die fünfzehn Euro pro Nase bezahlte man voller Vorfreude gerne, sodass es kurz danach ohne Umwege in Block H der Nordtribüne ging.

Beim Betreten des Stadions fielen uns erstmal kollektiv die Kinnladen runter. Was für ein Teil! Und das bei einer vergleichsweiße so kleinen Größe. Lediglich 25.636 Zuschauer finden im fast komplett bestuhlten Viereck Platz, dass aber locker doppelt so groß wirkt. Vor allem die dreistöckige Westtribüne macht einen monumentalen Eindruck. Doch auch die zweistöckige Haupttribüne sowie die ebenfalls zweirangige Osttribüne machten echt was her, während die kleine Südtribüne fast schon mickrig daherkommt. Die Sitzfarben stellten sich indes als eher uneinheitlich heraus. Vielmehr schnappte man sich beim Bau wohl alles, was irgendwo rumlag, weshalb die farbliche Mischung irgendwo zwischen neuem Rot, verblichenem Rot, Schwarz, Weiß, Grau und Grün lag.

Davon mal abgesehen (was jedoch auch irgendwie ins Bild passte) war man schon jetzt sichtlich begeistert und verfolgte gespannt die einströmenden Zuschauer. Sportlich liefert der FC Metz in dieser Saison im Großen und Ganzen gar nichts ab, weshalb die Rot-Weißen schon gefühlt seit Spieltag Eins vom letzten Tabellenplatz grüßen. Dank der billigen Tickets pilgerten dennoch offiziell 13.295 Zuschauer ins Stadion, die sich weiträumig im großen Bau verliefen. Glücklicherweise schien die Heimszene das Spiel nicht zu boykottieren.

Gut zehn Minuten vor Anpfiff war plötzlich Bewegung in den beiden Stehrängen auszumachen und einige bekannte Gruppenfahnen erblickten das Sonnenlicht. Zu unserer linken positionierte sich die Horda Frenetik 1997 im Oberrang der Osttribüne hinter ihrer langen Zaunfahne, die jedoch schnell durch das Spruchband „On fait comme vous? On descend?“ (in etwa: Wenn wir absteigen, gehen wir dann wieder runter?) verdeckt wurde. Selbiges blieb bis zum Ende hängen und ist eine Anspielung auf die Verbannung der Gruppe in den Oberrang, nachdem ein geworfener Böller in einem vorherigen Spiel den Torwart von Olympique Lyon traf.

Auf der Gegenseite versammelten sich im Unterrang der Westtribüne die beiden Gruppen Generation Grenat 1995 sowie die Gruppa Metz, letztere jedoch ohne erkennbare Zaunfahne oder Tifomaterial. Fürs Auge gabs allgemein auf beiden Seiten neben einigen Schwenkern und einem Spruchband („Ludo a jamais grenat“; deut. „Ludo für immer Granat-Rot“) recht wenig. Und die Akustik? Ich hab ja schon viel gesehen und gehört, so viel vorweg. Aber drei voneinander unabhängig agierende Gruppen im Heimbereich mit jeweils eigenen Vorsängern und Trommeln hab ich in Europa auch noch nicht erlebt.

Zum einen wäre da die Generation Grenat, die mit ihren ungefähr 30 Mann beständig fahnenschwenkend Lieder trällerte, sich jedoch nur am Anfang Gehör verschaffte. Dann die Gruppa, die zunächst mit etwa 20 Leuten dagegen hielt, im weiteren Verlauf aber auf gut 80 Kehlen anwuchs und demnach ein ums andere Mal einen laut hörbaren Gesang schmetterte. Wohl gemerkt: Diese beide Gruppen standen direkt nebeneinander, lediglich getrennt durch einen Treppenaufgang, und schafften es dennoch nicht auch nur ansatzweise einen Gesang zusammen vorzutragen.

Man kann fast schon von Glück sprechen, dass sich unsere Plätze näher an der Horda Frenetik befanden, die sich mit ihrem Standort im Oberrang den akustisch weitaus besseren Platz aussuchten und auch die deutlich größere Masse stellten. Gut 120 Sangeslustige präsentierten melodisch tolles und für Frankreich typisches schnelles Liedgut, das ein ums andere Mal ins Ohr ging und auch einige Heimfans auf unserer Tribüne zum Mitmachen animierte. Die vielen Klatsch- und Hüpfeinlagen mit dem Rücken zum Spielfeld machten auch optisch was her, sodass man mit dieser Kurve recht zufrieden war. Was hätte die Szene nur für ein gesangliches Potenzial, wenn alle an einem Strang ziehen würden…

Im Gästeblock machten sich rund 25 Anhänger des SCO breit, die die 620 Kilometer lange Anreise auf sich nahmen. Im Gepäck hatten sie eine Zaunfahne, Doppelhalter und einige Schwenkfahnen, die über die volle Spielzeit von den effektiv neun am Support beteiligten und zumeist oberkörperfreien Ultras gezeigt wurden. Leider für uns nicht hörbar, doch durch die Aufteilung der Heimgruppen blieb auch so ein Gefühl von zwei Fanlagern im Stadion vorhanden.

Sportlich stand Metz vor einem wahren Endspiel, denn bei einer Niederlage wäre der Abstieg besiegelt. Gegen das im Mittelfeld der Tabelle platzierte Angers schafften es die Hausherren jedoch nur schwerlich in die Partie und hatten zudem in der 15. Minute auch noch Glück, dass ein Treffer der Gäste aufgrund einer Abseitsposition aberkannt wurde. Mit einem der ersten Angriffe trafen die Rot-Weißen mit einem Kullerball zum 1:0, was die überraschende Halbzeitführung markierte.

Für uns bot die Pause die Möglichkeit einer kurzen Erfrischung, denn mittlerweile zehrte die Hitze ganz schön an der Substanz. Zudem tauschten wir unsere Plätze gegen die oberste Sitzreihe, von wo aus wir den zweiten Durchgang verfolgten. Leider büßte das Spiel seinen anfänglichen Unterhaltungswert fast gänzlich ein. Der müde und ideenlose Kick nahm erst gegen Ende wieder Fahrt auf.

Als viele der Fans schon mit dem baldigen Abpfiff rechneten, zeigte der vierte Offizielle eine Nachspielzeit von fünf Minuten an. Und das sollte die Zeit sein, die die Gäste in diesem Spiel benötigten. Zwei schnelle Tore in der 93. und 94. Minute bescherten Angers drei Punkte und besiegelten den Abstieg des FC Metz. Nicht nur wir waren vollkommen überrascht über das gerade Gesehene. Keinen der Zuschauer hielt es mehr auf den Sitzen, sei es aufgrund von Aggressionen oder Fassungslosigkeit. Unter einem gellenden Pfeifkonzert verlies fast das gesamte Publikum augenblicklich das Stadion, während die Gästefans ihr Glück nicht fassen konnten.

Kurze Zeit später war Schluss und die aus Metzer Sicht absolut vermeidbare Niederlage in trockenen Tüchern. Während es die Ultras um die Horda mit Fassung trugen, explodierten auf der Gegenseite die Gemüter. Nach der Präsentation zweier Spruchbänder („L2: We are back!“ und „Club gangrene par l’incompétence depuis 2009“; deut. In etwa „Der Club zersetzt sich durch Inkompetenz seit 2009“) enterten einige Anhänger beim Anblick der Metzer Spieler den Platz, wurden jedoch von den herbeieilenden Ordnern sofort zurückgedrängt. Bis auf wilde Gesten und Beschimpfungen sollte es in der Folge ruhig bleiben.

Gut fünf Minuten nach Abpfiff war das große Stadion fast vollkommen verweist und nur wenig ließ erkennen, das hier vor einigen Augenblicken das vorerst vorletzte Spiel des FC Metz in der ersten Liga stattfand. Ein letztes Mal warf man noch einen Blick auf das schöne Stadion, ehe die langsam anrückende Security uns verbliebene Nasen vor die Tür kehrte. Zu Fuß ging’s danach in Richtung Parkplatz, ehe man wieder in Richtung ereignisloser Heimfahrt aufbrach.

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Fazit: Klasse Stadion, spannendes Spiel (zumindest am Ende) und eine wunderschöne Stadt, die zu mehr als einem Besuch einlädt. Wer weiß, vielleicht verläuft man sich irgendwann wieder hierher.