22.04.2018 22. Spieltag Ehrenpromotion Etzella Ettelbrück - Swift Hesperange Stade am Deich Endergebnis: 2:0 (1:0) Zuschauer: 186 Fotoalbum
Ach, wie hab ich in den vergangenen Monaten den fast wöchentlichen Ausflug über die Grenze nach Luxembourg vermisst. Nicht nur der Geldbeutel freut sich über den deutlich günstigeren Sprit, sondern auch die Statistik über jeden neuen abgehakten Ground im Großherzogtum. Geile Stadien, ansehnlicher Fussball und gutes Bier – mehr braucht‘s nicht zum Glücklichsein.
So steht man nun knapp vor der Komplettierung der ersten Liga, doch das letzte Stadion will einfach nicht fallen. Terminkollisionen mit anderen Touren oder schlicht keine Heimspiele machten nun schon drei Anläufen einen Strich durch die Rechnung. Da man aber dennoch Bock aufs Nachbarland hat, schweift der Blick so langsam Richtung Ehrenpromotion, ihres Zeichens zweithöchste Spielklasse. Klar, bei der Spielqualität muss man wohl einige Abstriche machen und es ist vielleicht auch nicht ganz so viel los wie in der ersten Liga (kann man das bei dem Zuschauerschnitt überhaupt sagen?). Aber manch klangvoller Vereinsname oder manch ansehnliche Tribüne reizen dann doch genug.
Am letzten Sonntag fiel daher schnell das Topspiel zwischen dem FC Etzella Ettelbrück und dem FC Swift Hesperange ins Auge. Etzella wäre mit einem Sieg quasi sicher erstklassig, während die Gäste mit drei Punkten in Schlagdistanz zum dritten Rang kämen und somit Chancen auf die Relegation hätten. Zudem las man vor einiger Zeit etwas über eine neue Fangruppierung bei Swift, während die Ultra-Gruppe der Gastgeber zu den ältesten und bekanntesten des Landes zählt. Braucht man eigentlich noch mehr Gründe für einen Besuch?
Mir fielen zumindest keine Gegenargumente ein, sodass man am Sonntagmittag wieder Kev eintütete und gen Westen düste. Nach einem obligatorischen Tankstopp unweit der Grenze gings über brandneue Autobahnen größtenteils durch Tunnel gen Norden des Landes. Am Ende der Autobahn liegt das kleine Städtchen Ettelbrück mit seinen knapp 9.000 Einwohnern zwischen den drei Flüssen Alzette, Sauer und Wark. Eine ganz schicke Gegend, wie man schnell feststellte.
Für Sightseeing war leider keine Zeit, weshalb wir schnurstracks das Stade am Deich anfuhren. Selbiges liegt namensgebend am Stadtrand direkt an der Alzette und konnte für die leider auch in der zweiten Liga typischen zehn Euro betreten werden. Das weite Rund mit seiner renovierten Holztribüne machte auf Anhieb einen schicken Eindruck. Auch die sechsstufige und abgeranzte Gegengerade sowie die beiden kleineren und unüberdachten Sitzplatzblöcke neben der Haupttribüne wussten zu gefallen und passten perfekt ins wunderbare Bergpanorama.
Auf die „Mettwurschd“ des Tages musste man indes länger warten als gewohnt, was jedoch an den vergessenen Würstchen lag, wie uns der unfreundlich knurrende Standbetreiber liebevoll mitteilte. Aber auf die luxembourger Grillspezialität wartet man gerne etwas länger, denn sie ist es absolut wert. Auch das lokale Bier wurde verköstigt und für gut befunden, wobei 2,50€ für einen viertel Liter nicht gerade ohne sind.
Da noch etwas Zeit auf der Uhr war, stöberten wir ein wenig im VIP-Raum der Haupttribüne umher. Die Räumlichkeiten wurden ebenfalls mit schickem Holz eingerichtet, während Wimpel und Pokale an Erfolge der jüngeren Vergangenheit erinnerten. Wie der erste Ausflug nach Europa im Jahre 2001 zum Beispiel, als man in der ersten Quali-Runde an Legia Warschau scheiterte. Im gleichen Jahr holte man mit dem nationalen Pokalgewinn übrigens den einzigen nennenswerten Erfolg.
Das gleiche Lied kann die Gegenseite des Tages ebenfalls trällern. Nach dem Sieg im Coupe de Luxembourg im Jahr 1990 spielte Swift Hesperange ein einziges Mal international – gegen Legia Warschau. Die Polen müssten also bei einem erneuten Aufeinandertreffen mit einem Team aus dem Großherzogtum die Anreise mittlerweile kennen. Zumindest die älteren, versteht sich.
Mit dem langsam näher rückenden Anpfiff verzogen wir uns auf die Gegentribüne mit bestem Blick auf den Heimsektor. Leider zeigte sich die Kulisse mit lediglich 186 Zuschauern etwas mager und dem wichtigen Spiel nicht wirklich würdig. Doch die beiden anwesenden Fanszenen sollten das schneller wieder rausholen als man nur zu träumen gewagt hätte.
Zum einen wären da die Boys Etzella, die allein schonmal optisch mit ihrem langen Gruppenbanner und der monströsen Schwenkfahne gefielen. Nach einigen Minuten bedeckten jedoch drei weitere Banner den Mittelteil der Zaunfahne, deren grüne Farbe irgendwie so gar nicht zu den blau-weißen Vereinsfarben zu passen schien. Nach näherer Betrachtung wurde schnell klar, dass es sich anscheinend um eine befreundete Gruppierungen handeln musste.
Und was für welche! Neben den „csmUltras“ hissten auch die „Bad Boys 1987“ ihren Fetzen, wobei letztere anscheinend eine Sektion in Luxembourg unterhalten. Beide Gruppen bilden die Führung der Curva Nord des Serie C – Clubs Monopoli Calcio. Dazu gabs zum Einlaufen der Mannschaften noch das Spruchband „Ringraziamo e salutiamo i Boys Etzella“, was der Google Übersetzer als „Wir danken und grüßen die Boys Etzella“ ausspuckt. Mein Italienisch ist dafür leider genauso gut geeignet wie eine Bowlingkugel zum Volleyballspielen.
Zusätzlich erkannte man während des Spiels noch einige T-Shirts der „Fieri Fossato“, ihres Zeichens Ultra-Gruppe von Sampdoria Genua. Dass bei so einer ungewöhnlichen Freundschaftskonstellation erstmal die Kinnlade runterfiel, ist denke ich verständlich. Sollte es denn stimmen, dann hätten sich die Ultras des luxembourger Zweitligavereins mal echt starke Freunde angelacht.
Leider zeigte sich die akustische Unterstützung des teils oberkörperfreien Mobs eher zurückhaltend. Mit angezogener Handbremse gabs einige melodische Gesänge und Schlachtrufe, die aber allesamt eher halbherzig und gezwungen daherkamen. Hätte ich ehrlich gesagt deutlich mehr erwartet.
Das komplette Gegenstück dazu fand man im Gästesektor auf der Gegengerade vor. Handgezählte neun Anhänger der Rot-Weißen reisten aus Hesperange samt Gruppenbanner („Hesper Bouwen“), Trommel und zweier Schwenkfahnen an und entledigten sich zu Anpfiff erstmal ihrer T-Shirts. Danach gabs einen astreinen Support über die vollen neunzig Minuten, inklusive Klatsch- und Hüpfeinlagen.
Auch die Liedauswahl beschränkte sich keineswegs auf ein oder zwei Gesänge. Viel mehr gabs ein Best-off aus deutschen und französischen Stadien, bei dem man gefühlt keinen Gesang zweimal hörte. Zumindest in der ersten Hälfte. Auch beim späteren Tribünenwechsel waren es immer noch die Gäste, die einen höheren Anteil zur Atmosphäre beitrugen und deutlich lauter zu vernehmen waren. Wer mit so wenigen Leuten einfach sein Ding durchzieht, dem gebührt mein höchster Respekt.
Im Gegensatz zum Geschehen auf den Rängen wusste der Kick eher semi zu unterhalten. Überrascht über viele bekannte Gesichter bei den Hausherren (Torwart Sebastian Grub, ehemals Borussia Neunkirchen; Mefail Kadrija, ehemals SV Elversberg; Jan Umlauf, ebenfalls SV Elversberg; Julian Bidon, Eintracht Trier) starteten diese eher schwach in die Partie und überließen das Spiel den Gästen. Die konnten mit der Kugel aber nicht wirklich etwas anfangen, sodass in der 26. Minute plötzlich Blau-Weiß jubeln durfte. Eine hohe Flanke wurde irgendwie verlängert und landete halbhoch hinter der Linie. Obwohl der Torwart von Hesper noch klärte, bevor der Ball den Boden berührte, zeigte der Linienrichter das Tor sofort an. Wembley lässt grüßen!
Und so plätscherte die Partie weiter vor sich hin, ehe Mefail Kadrija in der 62. Minute einen schön herausgespielten Ball zum 2:0 veredelte. Von der anfänglichen Offensive der Gäste war keine Spur mehr zu erkennen, weshalb der Sieg für die Hausherren am Ende völlig in Ordnung ging.
Das hielt die wacker singenden neun Gästefans aber keineswegs davon ab, ihr Team auch über den Schlusspfiff hinaus zu unterstützen. Besser noch: Es folgten zwei große Pyroshows, die mit Sicherheit halb Ettelbrück einnebelten. Rot-Weißer Rauch, Blinker, Bengalos… alles war dabei, inklusive einer Sturmhaube. Dass die aber nur Dekozwecke hatte wurde schnell klar, als sie ihr Träger nach Beendigung einfach von Kopf streifte. Keine minutenlange Vermummungsprozeduren wie in der Heimat, keine einschreitenden Ordner oder anrückende Polizei… es könnte so schön sein, wenn es auch in Deutschland erlaubt wäre.
Natürlich ließ sich auch die Heimseite nicht lumpen und zündete etwas blauen Rauch, bevor eine kleine Feier mit der Mannschaft anstand. Danach folgte noch ein Mobfoto der heimischen Gruppierung mit ihren italienischen Freunden auf dem Platz, zu denen sich spaßeshalber auch einige der Gäste mischten, bevor diese sich samt ihrem gesamten Material am Verpflegungsstand neben dem Heimblock niederließen. Sieht man auch nicht alle Tage.
Hier gibt’s viele weitere Bilder!
Für uns gings wenig später wieder über die Grenze in heimische Gefilde. Nach dem klasse Ausflug dürfte am Ende eines klarstehen: Auch die zweite Liga hat ihren Reiz, mehr Besuche werden definitiv folgen!