On Tour 2021: Montenegro

Willkommen auf dem Balkan!

Nachdem nach Spanien auch Österreich und Tschechien nahezu problem- und einschränkungslos klappten, war klar, dass in der Woche nach dem eigenen Ehrentag eine weitere Tour anstehen sollte. Irgendwie musste man dieses Jahr 2021 noch retten, bzw. wenigstens die kurzen Zeiten der Ruhephasen ausnutzen. Bei der Frage wohin lag der Fokus schon länger auf dem Balkan. Ist mittlerweile auch schon wieder zwei Jahre seit dem letzten Besuch und die Aussicht auf billiges Bier und Fleischplatten en masse ließen die Zunge bereits freudig auf dem Gaumen tanzen. Einzig die immer wieder aufflammenden Beschränkungen und Kapazitätsbegrenzungen im Spielbetrieb der jeweiligen Länder verhagelten die ein oder andere Idee. Am Ende blieb man der seit zwei Jahren fahrenden Linie treu: Lieber in landschaftlich attraktive Regionen, die man in normalen Zeiten aufgrund fehlender Vereine nicht unbedingt ansteuern würde sowie generell in Länder, bei denen Zuschauerbeschränkungen aufgrund sowieso geringer Besucherzahlen egal sind. Siehe den Run aufs Baltikum im letzten Jahr, da war man auch recht gut beraten.

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Unter diesen Voraussetzungen gewann letztlich Montenegro unsere Wahl. Geschichtlich betrachtet das jüngste Land Europas, auf Bildern geile Landschaften und Fussball wird hier auch gespielt. Nehmen wir! Als Beherbergungsort wurde das bekannte Budva gewählt. Kann man als Tourist normalerweise wenig mit falsch machen. Die Flüge konnten überraschenderweise im Sale von Austrian Airlines geschossen werden, was jeweils einen kurzen Aufenthalt in Wien mit sich brachte. Bei einer Gesamtreisezeit von gut vier Stunden pro Strecke aber nicht der Rede wert. Das gesparte Geld floss bei der Wahl des Hotels in einen weiteren Stern, sodass für immer noch wenig Geld ein Fünf-Sterne Bunker geschossen wurde. Zum Zweck der Fortbewegung in einem Land quasi ohne öffentlichen Nahverkehr musste noch ein Mietwagen eingetütet werden, was bei einem lokalen Anbieter vorab für unter 80€ für fünf Tage erstaunlich günstig klappte. Vielleicht ein wenig zu günstig meinte die innere Stimme, aber wird schon klappen.

In die engere Planung flogen, neben einigen Ausflügen in die wirklich spannende Natur, auch zwei Spiele. Der große FK Budućnost Podgorica sollte samstags gegen die Kugel treten, während Bokelj Kotor am Sonntag den zweiten Kick markierte. Passte auch super ins Programm, den Kotor stand ebenfalls hoch oben auf der Liste der zu besuchenden Orte. Das in diesem Jahr nicht eine Tour fußballerisch wie geschmiert laufen sollte, wurde in der Planung getrost ausgeblendet. Nun ja, die Ansetzungsthematik auf dem Balkan drei Tage vor Anpfiff belehrte uns eines besseren. Kotor und Podgorica sollten plötzlich am gleichen Tag spielen, was beide Besuche absolut unmöglich machte. Da Podgorica dank Austragung im Nationalstadion Vorrang hatte, blieb Bokelj am Ende unbesucht. Immerhin konnte ein Zweitligakick am Freitag klargemacht werden. Aufregung erledigt und Packen!

Am Donnerstag, dem Tag der Abreise, kam es dann früh morgens ganz dicke: Ein heftiger Sturm zog über Frankfurt und ließ an einigen Ecken bereits Bäume auf Gleise fallen. Ungut für die Anfahrt per S-Bahn zum Flughafen, doch zumindest unsere Linie blieb vorerst standhaft. Dennoch zitterten wir uns von Halt zu Halt und wischten uns regelmäßig die Schweißperlen von der Stirn, wenn die Bahn länger als ein paar Sekunden an den Stationen hielt. Zwar etwas verspätet, doch immer noch relativ pünktlich erreichten wir den Frankfurter Flughafen und hatten sogar noch Zeit für ein kurzes Frühstück. Wenig später bestieg man den Flieger und konnte, nach einigen Turbulenzen zum Start, zu Klängen von Mozart einen ruhigen Flug ins sonnige Wien genießen. Dort ging’s unkompliziert durch die Pass-Kontrolle und hinein in den nächsten Austrian Jet gen Podgorica. Wieder eine Stunde später landeten wir auf dem Mini-Flughafen in der montenegrinischen Hauptstadt und wurden stilecht von einem kleinen Traktor begrüßt, der die Treppe zum Flieger zog. Willkommen auf dem Balkan!

Selbstredend ging es zu Fuß übers Rollfeld zum Terminal, wo ein lascher Check der Pässe und Impfzertifikate erfolgte, dann standen wir bereits in der Halle und suchten unsere Autovermietung. Bei ganzen vier Mini-Schaltern keine große Herausforderung. Die nette Dame nahm sich unseres Anliegen an und begab sich mit einem Schlüssel bewaffnet auf die Suche nach unserem Vehikel. Nach gut zehn Minuten bekamen wir Schlüssel und Papiere zu einem Renault Mégane mit Automatikschaltung. Als Freund der Handschaltung gar nicht mein Fall, aber alles Nachfragen half nix. Es war schlichtweg das einzige vorrätige Auto. Also mit Anfreunden und ab dafür. Der nun antanzende Typ präsentierte uns, mit Stift und Papier zum Aufzeichnen des Ist-Zustands bewaffnet, stoisch unser Gefährt für die nächsten Tage: Die letzte Ranzkarre dieses Landes. So ein verbeultes Stück etwas hab ich noch selten gesehen. Das Ding hatte mehr Dellen und Kratzer als irgendwo gerade Kanten. Entsprechend witterte die deutsche Nase bereits Kautionsbetrug und begann fleißig Bilder dieses wild gewordenen Albtraums eines jeden TÜV-Prüfers zu schießen. Das der bemitleidenswerte Angestellte der Mietwagenagentur es mir zumindest gleich tat und wirklich jeden Kratzer in seinem Bogen markierte, beruhigte die wüste Laune zumindest etwas. Auf den zweiten Blick vielleicht aber auch nicht verkehrt, jetzt nicht unbedingt mit dem neusten Benz über die Landstraßen Montenegros zu düsen. Bisschen unauffälliger ist auch nicht schlecht.

Auf dem Parkplatz wurde sich noch fix mit der Automatikschaltung vertraut gemacht und rausgefunden, dass man auch damit ein Fahrzeug bedienen kann (was sich bei den Gebirgsstraßen später sogar als bessere Wahl herausstellte), dann ging es auch schon raus ins Getümmel Podgoricas. Nach einigen Kreiseln nahmen wir die gut ausgebaute Strecke über die alte Hauptstadt Cetinje und erblickten nach einigen Tunneln zum ersten Mal den atemberaubenden Blick auf die Bucht von Budva. Eine Aussicht, die direkt zu einem kurzen Stopp einlud und die Kiefer zum ersten von vielen Malen während der nächsten Tage nach unten klappen ließ. Wenig später erreichten wir mit dem Hotel Slavija am Rande Budvas unsere Unterkunft für die nächsten Tage. Abgeparkt und eingecheckt, konnten das wirklich geile Zimmer mit schickem Blick auf Meer und Stadt bezogen werden. Bisschen russischer Luxus, aber kann man mit leben. Nur die Klimaanlage machte nicht was sie sollte und blies föhnartige Hitze in die Bude. Ungut.

Nach kurzer Pause und einen Blick in den nahen Supermarkt ging’s raus auf Erkundungstour. An der schönen Riviera entlang stiefelten wir bis zur Altstadt („Stari Grad Budva“), stets verfolgt und unter Beobachtung unzähliger Katzen. Die Streuner sind hier so etwas wie die lebenden Wahrzeichen der sich im deutlichen Wandel präsentierenden Strandstadt. Überall wird gebaut, immer höher ragen die unzähligen Hotels in den Himmel. Viel stand augenscheinlich aber auch leer oder wurde, dank Corona, verworfen. Insgesamt zeigte sich die Stadt etwas arg ruhig, viel war bereits geschlossen. War aber auch schon Ende Oktober und somit das Ende der Nebensaison. Für den Strand waren wir aber sowieso nicht hier, denn der sah zumindest für uns, dem Kies sei Dank, wenig einladend aus. Ein paar Hartgesottene sprangen in die eiskalten Fluten, wir begnügten uns derweilen mit einem ersten Rundgang durch die engen Gassen der auf einer Insel errichteten Altstadt. Viele Kleine Läden und Lokale warben um Kundschaft, alles wirkte auf den ersten Blick recht einladend. Aber so wirkliche Lust, die einzigen Gäste zu mimen, hatten wir dann doch nicht. Nach einer großen Runde unter Mondschein wurden wir schließlich im Restaurant Jadran fündig, wo ein kühles Niksićko samt Grillplatte die Gaumen verwöhnte. Einige weitere Kaltgetränke begossen den Abend, dann schlug die Müdigkeit aber zusehends ins Gemüt. Wieder im Hotelzimmer schwang man sich in die Kiste und gönnte sich noch ein wenig Eintracht im Europapokal, dann gingen die Lichter recht fix aus.

Kilometer schrubben statt Fussball gucken!

Der nächste Morgen Begann am Frühstücksbuffet genau dort, wo der Abend endete: Mit einer ordentlichen Portion Fleisch auf dem Teller. Dieses Mal in Form einer geilen Auswahl an regionalem Schinken samt Käsebegleitung. Da freut sich der Körper über die übermäßige Salzzufuhr! Dem sauren Kaffee schwörte man dabei ab, nutzt man einen solchen Trip doch gerne mal für einen notwendigen Koffeinentzug. Zurück im Zimmer sollte sich jemand um unsere noch immer freudig Wärme produzierende Klimaanlage kümmern. Der einbestellte Techniker ließ den Hotelangestellten nach kurzer Betrachtung wissen, dass das System generell ab Oktober nicht mehr kalt, sondern nur noch warm macht, weil zu dieser Jahreszeit ja eigentlich draußen kalt ist. Und das könne man nun auch nicht ändern und für ein Zimmer schonmal gar nicht. Na Merci, dafür hat man jetzt drei Nachfragen gebraucht! Also aus den Mist und Fenster auf, bringt auch frische Luft.

In Anbetracht der Pläne für den Nachmittag, einen Zweitligakick in einem Vorort der Hauptstadt mitzunehmen, wurde der Vormittag wieder in Budva verbracht. Also raus auf die Straße und eine erneute Runde durch die Stadt gedreht, dieses Mal im Hellen und eher durch den nördlichen, nicht am Meer gelegenen Bereich. Schnell stand fest, dass die Stadt außer Hotelburgen und dem verwaisten Strand wenig bis gar nichts zu bieten hat. Viele Baustellen, viel Leerstand, wenig los. Moderne Bauten neben irgendwelchen verfallenen, aber noch immer genutzten Bruchbuden versprühten zwar das bekannte Balkan-Flair, aber ein bisschen mehr hätten wir uns von Budva schon erhofft. Bei dem anhaltenden Bauboom, sollte er Corona nicht erliegen, dürfte die Stadt in fünf Jahren aber sowieso wieder eine ganz andere sein. Überall stellen sich die Besserverdiener aus Serbien oder Russland ihre Häuser in den Berg hinein, immer höher drehen sich die Straßen an den monumentalen Bergflanken hinauf. Aber ja, so richtig warm wurden wir auf den ersten Blick mit der Gegend nicht. Unsere Runde endete wieder mit einem Schwenk durch die Altstadt, die bei Tageslicht zumindest etwas mehr Leben versprühte.

Nach gut zwei Stunden erreichten wir wieder unser Hotel und machten uns fertig für den Länderpunkt. Nur nochmal kurz checken, ob der Kick auch zeitlich wie geplant zur Mittagszeit angepfiffen wird – und er wurde auf Sonntag verschoben. Geil! Irgendwo zwischen resigniert und geknickt nahm man das Scheitern des ausgetüftelten Ersatzplans zur Kenntnis. Da man sich für Sonntag bereits bei bestem Wetter ein Naturprogramm vornahm und an diesem auch keinen Millimeter rütteln wollte, sollte es letztlich bei dem einen Kick am Samstag bleiben. Normalerweise bin ich absolut kein Freund von diesen Ein-Ground-Länderpunkten, aber was soll’s, ‘nen trostlosen Kunstrasen kam man sich auch zu Hause reinpfeifen. Was also tun mit dem angefangenen Tag? Da die Füße etwas Ruhe verlangten, die Augen aber gerne etwas Landschaft bestaunen wollten, wurde aus dem Nachmittag fix ein Roadtrip an der Adriaküste entlang. Also etwas mehr Land, als man eigentlich geplant hatte.

So starteten wir mit hungrigen Mägen gen Süden und steuerten zunächst das nahe Sveti Stefan an. Ein kleines Fischerdörfchen, das auf einer Insel errichtet wurde, die nur durch einen schmalen Damm mit dem Festland verbunden ist. Seit vielen Jahren muss man sich allerdings mit dem Blick von außen begnügen, da es sich seit längerem um eine Hotelanlage samt Casino handelt. Die verrammelten Fenster schrien auch hier Nebensaison, wie auch die Tatsache, das sämtliche angesteuerten Restaurants die Läden unten hatten. Kacke. Immerhin ein Streuner leistete uns die gesamte Zeit Gesellschaft und wich nicht von unserer Seite. Unfreiwilliges Herrchen wurde man zum Glück aber doch nicht, da uns ewig hinterherzudackeln wohl zu langweilig wurde.

Wieder auf der Straße erblickten wir alsbald ein Etablissement am Straßenrand, was auf den Namen „Bankada“ hörte und mit nationaler Küche warb. Perfekt! Hier gab es traditionelles Gulasch mit Nudeln, über die eine Mischung aus Hart- und Schafskäse gerieben wurde, auch Njeguši-Käse (nach Herkunftsregion/Ort) genannt. Während der Schinken aus Njeguši als bombastisch abgestempelt wurde, war das Milchprodukt doch eher was für Hartgesottene und stark nasenbetont. Absolut kein Fall für Kris, also mehr Käse für mich! Als Nachtisch wurde das Haselnussreiche Baklava als gut empfunden, ehe wir unsere Fahrt fortsetzten.

Durch Tunnel ohne Licht und am schön gelegenen Stadion von Petrovac na moru vorbei erreichten wir schließlich die Hafenstadt Bar. Eine kurze Runde durch Hafen und Stadt durfte es sein, dann ließen wir auch dieses blasse Stückchen Serbiens (bis hierhin geht die durchgehende Zugverbindung aus Belgrad) hinter uns. Denn bis auf graue Wohnblöcke und Industrie gab es hier nicht viel zu sehen. Die Überreste der durch ein Erdbeben zerstörte Altstadt an einem Berghang bekam man dank der vorschnellen Planung leider nicht zu Gesicht. Eine gute Stunde brauchten wir in der Folge bis wir wieder in Budva waren, wo am Abend noch ein Absacker in einer schicken Bar in der Altstadt folgen sollte. Gutes Bier und in der Glotze lief eine Nichtssagende Begegnung zweier serbischer Vereine. So lässt sich ein Abend gut verbringen!

Nebel, Pyro und Gewitter

Nach einem gewohnt ausgiebigen Frühstück war am Samstag wieder fahren angesagt, die Kosten der Karre hatten sich also schon gelohnt. Wieder ging es über Sveti Stefan bis nach Petrovac, wo dieses Mal die Abzweigung nach Links in Richtung Bergen genommen wurde. Ziel: Podgorica! Statt des neuen Tunnels, für den im Übrigen Maut fällig wird, entschieden wir uns für die schöne Passtrasse, die sich langsam mit Blick auf das Blau der Adria die steilen Hänge hinauf quälte. So richtig viel Gelegenheit zum Genießen des Ausblicks blieb indes nicht, erforderten die Straßenverhältnisse als auch Fahrweise ein Groß der Aufmerksamkeit. Nun, die Straßen waren tatsächlich eigentlich überall ganz ok, da bin ich aus dem Hochwald bei Trier andere Verhältnisse gewohnt. Aber Regelungen, dass man bei guter Sicht zwischen zwei Kurven die Überholspur der Gegenseite benutzen kann… da häng ich zu sehr am Leben. Außerdem schafften es immer wieder Kühe auf die Straße, die den Grünstreifen mit feinen Abgasaromen als Delikatesse auserkoren und sich dabei keinen Meter bewegten. Dichter Nebel auf den Berggipfeln war dann noch das i-Tüpfelchen, doch die Route war alle Mühen wert.

Nach gut einer Stunde erblickten wir mit dem Skadarsko Jezero den größten See des Balkans, der sich bis zum Horizont erstreckte. Ein wirklich schöner Ausblick auf das brettebene Wasser tat sich uns von der Brücke aus auf, die dann auch gleich mit einigen Parkmöglichkeiten in der Mitte aufwartet. Wenig später erreichten wir die Ausläufer der Hauptstadt und damit zum ersten Mal so richtig volle Straßen. Nur noch langsam schoben wir uns durch die Innenstadt gen nördlichem Ende, wo die Flutlichter des Nationalstadions unsere Zielankunft signalisierten. Denn direkt hinter der Sportstätte bietet ein kostenloser Parkplatz in bester Stadtlage den perfekten Ausgangspunkt unseres Hauptstadttrips. Podgorica, bis 1992 noch als Titograd benannt, stellt mit seinen gut 185.000 Einwohnern etwa ein Drittel der montenegrinischen Gesamtbevölkerung und ist damit selbstredend nicht nur das geographische Zentrum des Landes, sondern ebenso für alles wirtschaftliche und kulturelle. Entsprechend ragen die Geschäftshäuser in der Stadt ein wenig höher und die Ostblockbauten sind allgemein noch ein Stück dreckiger.

Der erste Eindruck, den wir bei einer Runde durch die Innenstadt bekamen, war allerdings ganz positiv. Schicke Ausgehviertel mit vielen Bars reihen sich an alte, sowjetische Machtpaläste wie die Nationaloper oder die verschiedenen Regierungssitze. Machte alles auch einen ganz gepflegten Eindruck, wenn man über die ab und an aufploppenden Ruinen und das vorherrschende Grau an Fassaden und Himmel hinwegsieht. Hatte aber was und genau deswegen waren wir ja da. Über die als Zeichen des Aufschwungs errichtete und als Wahrzeichen dienende Millenniumbrücke, die über den Fluss Morača führt und die Innenstadt mit Novi Grad verbindet, stiefelten wir in eben jenes Viertel und steuerten die Auferstehungskirche an. In einem eher tristen Plattenbauviertel gelegen, gefiel die Kathedrale von Innen mit der typisch orthodoxen Überschwänglichkeit und gab uns auch etwas Schutz vor den aufziehenden Regenwolken. Irgendwie war das Wetter bis dahin nicht wirklich auf unserer Seite.

Weiter ging’s gen Süden zur auserkorenen Verpflegungsstätte des Tages. Auf dem Weg wie auch überall sonst in der Stadt zeigten diverse schicke Wandmalereien bereits die Vorherrschaft von Budućnost und machten bereits Lust auf den Abend, doch zunächst wollte ja noch der Hopfendurst gestillt werden. In der Moskovska wurde in der Akademija Brewery feinstes montenegrinisches Bier ausgeschenkt, was gut gekühlt in die Rachen floss. Dazu noch eine gute Fleischplatte für Zwei und wir waren absolut glücklich. Sehr empfehlenswerter Laden!

Dann war es auch endlich Zeit und wir stiefelten zurück zum Stadion. Nachdem kurz noch alle unnötigen Dinge ins Auto flogen, machten wir uns auf die Ticketsuche und fanden den Mini-Verkaufsstand unterhalb der Haupttribüne. Lediglich zwei Euro mussten für ein Ticket auf eben jener Tribüne über die Theke wandern, für die Hintertor wäre sogar nur ein Taler fällig gewesen. Wenig später enterten wir das schöne Nationalstadion mit seinen ungewöhnlichen Dächern und freuten uns beim Anblick der Kurve auf die folgenden neunzig Minuten. Wir erwartet gab’s tiefe Stimmen und die rauen Klänge des Balkans. Nicht immer laut, aber durchaus beständig. Dazu folgte nach kurzer Aufbauphase eine kleine Zettelchoreo sowie reichlich Pyro, wovon man auch während der restlichen Partie gut Gebrauch gemacht wurde. Auf dem Rasen setzten sich die favorisierten Hausherren mit 4:1 gegen die Gäste aus Danilovgrad durch und sicherten sich somit den zweiten Tabellenrang. Durch das Unwetter, was während der Partie aufzog, war das Ganze allerdings alles andere als ansehnlich. Da machten einige Kicker unfreiwillig den Freischwimmer und die deutschen Schlachtenbummler bangten um den einzigen Kick der Tour. Sollte allerdings alles gut klappen, auch wenn das Flutlicht dank der nahen Blitzeinschläge ein ums andere Mal ausfiel. Mehr zum Spiel findet ihr hier.

Da das Länderpunktbier bereits vor dem Kick zelebriert wurde und ich mich ja auch noch hinters Steuer klemmen musste, ging’s im just nach Spielende nachlassenden Regen zurück zum Auto. Die ursprünglichen Löcher auf dem erdigen Parkplatz waren jetzt natürlich Seen, was das Manövrieren auf die Straße deutlich herausfordernder gestaltete. Die Karre hielt die knöchelhohe Tauchtiefe aber gut aus und machte auch am steilen Matschhang eine gute Figur. Durch die dunkle Hauptstadt ging’s wenig später wieder auf die Landstraße gen Budva, wobei das Fahren bei Nacht natürlich nochmal eine andere Hausnummer war. Wenigstens sah man an den Lichtern der entgegenkommenden Autos schon vorher, ob man in Kurven etwas langsamer reingehen sollte. Gut eine Stunde später lag man auch schon wieder in der Kiste und gönnte sich das Zweitligatopspiel zwischen Schalke und Dresden.

Von Gipfelstürmern und blauen Küsten

Der Sonntag startete recht ungewohnt mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Weg war das triste Grau und die dichten Wolken, die die Berggipfel jeden Tag verschluckten. Entsprechend stieg die Vorfreude auf den geplanten Ausflug immens, der uns in den Nationalpark Lovćen führen sollte. Wieder mal die Straße gen Cetinje erklommen, ließen wir fortan die befestigten Hauptstraßen hinter uns und nahmen eine dieser Passstraßen, auf denen keine zwei Wagen nebeneinander passten. Mühsam schraubten wir uns Meter um Meter die Berge hinauf, wobei die herbstlich strahlenden Wälder sowie der grandiose Ausblick auf die Küste schon jetzt ein Genuss waren. Am Eingang zum Nationalpark saß ein einzelner Parkranger und knöpfte uns zwei Euro Eintritt ab, dann durfte auch schon die letzte Etappe auf den Jezerski Vrh zurückgelegt werden. Am Fuße des Berggipfels schnappte man sich einen der letzten der sehr begrenzten Parkplätze an der Straße. Da will ich nicht wissen, was hier im Sommer los ist. Fünf Taler pro Nase mussten noch gezecht werden, dann durften wir den als Treppe angelegten Aufstieg zum Berggipfel bewältigen. Nicht die größte Herausforderung, doch die eisigen Temperaturen und schon recht dünne Luft trugen durchaus zur Schweißbildung bei.

Hoch oben erwartete uns das Mausoleum des montenegrinischen Fürstbischofs und Dichters Petar II. Petrović Njegoš, was in seiner derzeitigen Form erst 1974 eingeweiht wurde. Auch vorher war hier schon eine Grabkapelle beheimatet, die im Zuge des ersten Weltkrieges als Artilleriestellung diente und 1916 von Österreich erobert wurde. Neben der Geschichte des Orts war es aber insbesondere die Aussicht, die uns auf 1.657 Metern trieb. Denn die war absolut atemberaubend. Von den Blicken auf die funkelnde Adria-Küste, über den benachbarten Gipfel des Štirovnik mit seinen 1.749 m bis hin zur Aussicht auf die karg-grauen Landschaften in Richtung Cetinje und Podgorica. Der strahlend blaue Himmel tat sein Übriges, sodass wir am Ende des Weges lange Inne hielten und die absolute Stille der Natur genossen und in uns aufsogen. Diese innere Ruhe, die man nach einigen Minuten verspürte, kämpfte gegen die in diesem Jahr fast schon pausenlos vorherrschenden Hektik spürbar an und ließ auch den Kopf ein wenig freier werden. So einen Ort wünsch ich mir in meinem alltäglichen Leben. Einfach mal abschalten und die Füße wortwörtlich baumeln lassen.

Nach einiger Zeit riss uns aber die Kälte aus dem Wohlbefinden und drängte uns zum Weiterziehen. Wieder hinabgestiegen ging’s per Auto über eine Neubaustrecke in Richtung Bucht von Kotor, die uns an einem Aussichtspunkt ebenfalls wortwörtlich zu Füßen lag. Hier funkelte wiederum das Meer in den fast schon fjordartigen Tälern zwischen steilen Bergflanken, während zu unserer linken Seite die Flugzeuge auf der Rollbahn des Flughafens von Tivat wie Spielzeuge wirkten. Stärken wollten wir uns wenig später am stark beworbenen Imbiss mit dem Namen Horizont, doch der Laden schien wegen Renovierung geschlossen. Auf die Terrasse konnte man dennoch, was wieder einen astreinen Blick auf die Landschaft und Kotor ermöglichte. Die folgenden Serpentinen zogen sich, stärkerem Verkehr und aufsteigendem Hunger sei dank, etwas in die Länge, doch nach einer guten halben Stunde für etwa drei Kilometer Luftlinie erreichten wir schließlich Kotor. Abgeparkt an einem großen Platz südlich des Stadions, passierte man dieses auf dem Weg in die Stadt und trauerte dem verschobenen Kick wehmütig nach. Diese Aussicht, dieses Panorama. Naja, heut ist ja nicht aller Tage.

Nach kurzem Marsch erreichten wir den Haupteingang zur Altstadt, wo bereits einige Cafés um Kundschaft buhlten. Hier war nun deutlich mehr los als in den verlassenen Gassen von Budva und co. Am Uhrenturm gefiel es uns am besten, weshalb hier zur besten Cafézeit feiner Kuchen und frisch gebackene Pfannkuchen verspeist wurden. Danach noch ein kühles Niksićko und wir waren glücklich. Gestärkt erkundeten wir die traumhaften Gassen von Kotor und stellten fest, dass es uns hier deutlich besser gefiel als in unserer eigenen Urlaubsstätte. Viele kleine Hotels und Hostels waren über die komplette Innenstadt verstreut, während man in gut der Hälfte der Restaurants gerne mal einkehren wollte.

Nach gut einer Stunde des Schlenderns verließen wir Kotor über den Südausgang durch die Bastion, die gleichzeitig einer der Ausgangspunkte für wagemutige Kletterer zur auf dem Berg gelegenen Befestigung bietet. Mit den gewonnen Eindrücken des Tages, die wir locker als perfekten Abschluss des Trips bezeichneten, ging es schließlich wieder zurück gen Budva. Hier drehten wir in der Dunkelheit noch einmal eine Runde, liefen bis zur Altstadt, wo mal wieder mehr Katzen als Menschen unterwegs waren, und begossen den Abend in einer kleinen Pizzeria. Man hatte einfach genügend Fleisch in den letzten Tagen intus. An der Riviera gab’s in einer schicken Bar noch einen letzten Drink, ehe im Hotel bereits die ersten Sachen zurück in die Koffer flogen.

Zurück in strukturschwache Regionen

Der Montag startete mit einem äußerst abgespeckten Hotelfrühstück, was nicht nur uns verwunderte. Es war wohl der Auftakt der letzten offenen Woche des Hauses, dann mache man bis März zu, also werde schonmal gespart. Fünf Sterne in Montenegro sind eben nicht überall fünf Sterne. Satt machte es natürlich trotzdem und Njeguši-Schinken war ebenso noch genug zu haben. Kurze Zeit später packten wir unseren Kram ins Auto und checkten aus, hatten aber noch genug Zeit übrig und stiefelten daher ein letztes Mal zum Meer. Ein wenig Ruhe mit Blick auf kristallklares Wasser durfte es noch sein, bevor die altbekannten Serpentinen gen Cetinje ein letztes Mal erklommen wurden. Kurz vorm Flughafen in Podgorica wurde die Karre nochmal vollgetankt, dann wanderten die Schlüssel im Terminal auch wieder über die Ladentheke und das große Bangen begann. Jemand wolle noch das Auto auf weitere Beulen und Kratzer kontrollieren. Etwa zwanzig Minuten lies man uns warten, dann die fast schon überraschend positive Nachricht: Alles in Ordnung, alle Dellen sind noch da wo sie sein sollen. Die Kaution wurde also wieder freigegeben und den Deutschen Kartoffeln auch alles genaustens protokolliert. So lob ich mir das! Entsprechend Daumen hoch für green motion!

Der online Check-in bei Austrian funktionierte in Ländern außerhalb der EU nicht, weshalb man sich an einem der lediglich acht verfügbaren Schalter anstellen und Impfzertifikat, Einreiseanmeldung, Buchungsbestätigung, Pass, Steuernummer, Geburtsurkunde und sonst was vorzeigen musste. So schlimm wars schließlich nicht, aber Zeit verfloss einige. Der Rest ging fix, denn wirkliche Strecken musste man im kleinen Terminal, in dem im Oktober am Tag vielleicht zehn Flüge abgefertigt werden, natürlich nicht gehen. So warteten wir zunächst außerhalb der Abflughalle und genossen noch die wärmenden Sonnenstrahlen, ehe die Stempel in die Pässe wanderten und wir die Maschine gen Wien bestiegen. Dort wurde es mit Pass- und Sicherheitskontrolle eng, doch der Flughafen in Schwechat überzeugte einmal mehr in Organisation und Abläufen. Für Mittagessen war dennoch keine Zeit, was dann letztlich auf Frankfurt verschoben wurde. Eine Stunde Flug dem Sonnenuntergang entgegen und wir landeten wieder auf vertrautem Boden.

Zu Futtern gab’s Currywurst, dann Begann der nervigste Teil der Heimreise: Die Fahrt mit der Frankfurter S-Bahn. Zunächst erwischten wir direkt eine Bahn am Flughafen, die dort allerdings für geschlagene 45 Minuten nicht weiterfuhr. Erst war die Strecke blockiert, dann die Türen kaputt. In Offenbach umgestiegen, ging wiederum gar nichts mehr. Störungen und Ausfälle ließen die Verspätung auf über zwei Stunden ansteigen, und das wohlgemerkt auf einer Strecke, für die wir normalerweise eine halbe Stunde brauchen. Du könntest aus dem hintersten Loch dieser Erde kommen und selbst da wäre die Bahn pünktlicher als im Finanzzentrum Deutschlands. Entsprechend abgenervt kamen wir viel zu spät in den heimischen Gefilden an.

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Das alles soll aber den Rückblick auf den Trip keinesfalls trüben. Wir lernten Montenegro als malerisches Naturpanorama kennen, was sich zumindest in der Küstenregion, in der wir uns bewegten, mit traumhaften Ausblicken auf Berge und die Adria in unsere Gedächtnisse einbrannten. Aber auch Podgorica als wuselige Stadt mitsamt des besuchten Spiels blieb wohlwollend hängen. Kulinarisch typisch Balkan natürlich ein Genuss, während auch an der Theke die Getränke immer wieder schmecken. Für uns nahezu ausschließlich positive Eindrücke, die einzig durch das verwaiste Budva etwas bröckelten. Ob man sich die engen Straßen aber in der Hochsaison geben möchte, ist wieder ein anderes Thema. Trotz der Tatsache, dass wir fast pausenlos unterwegs waren, haben wir vom Land gefühlt noch nichts gesehen. Entsprechend gerne kommen wir wieder zurück, wenn auch eher in der etwas ferneren Zukunft.