On Tour 2020: Tallinn

Ab an die Ostsee!

Eigentlich hatte man sich für das Jahr 2020 so einiges vorgenommen. Bekanntlich kam es dann doch ganz anders. Bereits gebuchte Touren wurden gestrichen, Ausweichpläne waren nach kürzester Zeit ebenfalls nicht mehr zu realisieren und nach einigen Wochen hätte man sich schon fast für einen Kunstrasen ohne Ausbau für fünf Stunden hinters Steuer geklemmt. Alle Pläne also ad acta legen? Nicht ganz, liebe Gallier, denn völlig zufällig nahm man sich für diesen Sommer sowieso eine Tour ins Baltikum vor. Tallinn sollte es werden, um genau zu sein. Während jeder der in Europa verstreuten EM im TV hinterherhechelt einfach mal gen Norden fliegen, so die Gedanken.

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Entsprechend klemmte man sich schon Mitte Februar ans Zeichenbrett, studierte die bereits für das Gesamtjahr veröffentlichte Spielpläne und suchte sich ein vielversprechendes Wochenende Ende Juni mit Tallinner Derby und einer weiteren schicken Bude heraus. Fix noch in die einzig sinnvollen Flüge der Lufthansa sowie in ein Altstadt-AirBnB eingebucht und die Vorfreude, knapp vier Monate vor der Tour, war perfekt. Letztlich Glück im Unglück, denn durch die ganze Chose um Corona kristallisierte sich das Baltikum fix als einzig sinnvolle Reisemöglichkeit für den Sommer heraus.

Aufgrund der Einreisebestimmungen wackelte der angepeilte Termin allerdings bereits Anfang Mai und fiel vier Wochen vor eigentlichem Abflug dann vollends, da natürlich sämtliche Spiele verschoben wurden. Mit der Ankündigung durch den Verband, erst ab Juli Zuschauer auf den Tribünen zuzulassen, ergriff man die Chance der großzügig gewährten Umbuchungsmöglichkeiten am Schopfe und legte die Lufthansa-Flüge einfach drei Wochen nach hinten. Auch das AirBnB konnte ohne Beanstandungen für Umme gecancelt werden. Stattdessen buchte man sich fix in ein Hotel der Marke Park Inn ein, um den Luxus der kurzfristigen Stornierung auch weiterhin zu genießen.

Nun hieß es allerdings weitere sechs Wochen warten, in welchen uns die Airline mit zwei weiteren Flugverschiebungen beglückte. Zum Glück innerhalb der gleichen Tage (jeweils Hin- und Rückflug) und am Ende noch nicht mal schlecht, da die Abflugzeit von 6.30 in der Früh den Freitag fix in einen kompletten Tag Tallinn verwandelte. Yay. Dennoch kannte die Vorfreude auf die zwei ausgesuchten Stadien, die hochgelobte Barlandschaft und generell auf den Besuch eines neuen Landes keine Grenzen. Klar, irgendwo hoffte man auch dass alles gut gehen wird, denn Probleme bei Abflug, Einreise, Hotel und so weiter malte man sich durch die unumgängliche Berichterstattung ja auch irgendwie aus. Aber wird schon passen.

Besonders viel geschlafen hatte man in der Nacht vor Abflug nicht, als uns der Wecker um kurz vor 3 unsanft aus den Federn riss. Fix die letzten Sachen gepackt, Katzenwäsche und ab mit Rucksack und kleinem Koffer zur S-Bahn. Dort dann der zur Tageszeit im Frankfurter Umland gängigen Mischung aus sportlichen Frühaufstehern und Alkoholleichen so gut es ging aus dem Weg gegangen und schließlich hundemüde aber glücklich am Frankfurter Flughafen eingetrudelt. Der war um die Uhrzeit natürlich komplett ausgestorben, weshalb die Kontrollen in absoluter Rekordzeit überwunden werden konnten. Neben einem Urlaubsflieger nach Malle war unser Flug so ziemlich der einzige um die Uhrzeit, doch zum sich auf den Wartesitzen breit machen bestand aufgrund der Absperrungen dann auch keine Möglichkeit. Daher einfach noch ein bisschen durchs Gate geschlendert, ehe unser Flieger mit dem in dieser Woche unglaublich passenden Taufnamen „Gütersloh“ gen Sonnenaufgang abhob.

Der Flug im leeren Flieger verging, bis auf das hyperaktive Quengelmonster vor mir, was alle paar Minuten am Esstisch rumspielte oder auf dem Sitz rumhüpfte, tatsächlich fix. Nur auf die Bord-Verpflegung musste man komplett verzichten. Eine Flasche Wasser gabs, sonst nix. Ein paar Eindös-Momente später landete man bereits butterweich auf dem kleinen Tallinner Flughafen und Schritt wenig später durchs gemütliche Terminal. Fieber wurde beim Verlassen keines gemessen, allerdings zeigte sich die Polizei an unserer Nationalität und an unserem Abflugort interessiert. Natürlich durfte man in den letzten 14 Tagen kein Land besucht haben, welches mehr als 15 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner im Schnitt aufwies. Sonst würde entweder die Einreise verwehrt oder man müsste direkt in Quarantäne. Gefragt wurde man danach allerdings nicht. Zum Glück gibt’s bei der Einreise nach Tschechien keinen Stempel mehr in den Pass…

Aus dem gesicherten Bereich endlich raus, steuerte man als nächstes den „R-Kiosk“ an, an welchem die für den Nahverkehr genutzten „Smartcards“ erstanden wurden. Mit 7,50€ für 72h und nochmal 2€ Pfand oben drauf absolut vertretbar, zumal wir die Dauer mit unserem viertägigen Aufenthalt (Freitagmorgen bis Montagmorgen) nahezu vollständig ausreizten. Mit der modernen Tram ging es dann in etwa 20 Minuten in die Stadt. Raus am Vabaduse Väljak, dem Freiheitsplatz, welcher die Unabhängigkeit zur ehemaligen Sowjetunion glorifiziert, mussten noch ein paar Meter zur Fuß bewältigt werden, ehe wir an der gebuchten Bleibe eintrafen. Stilecht noch vor 11, also vor Ort sogar zur Frühstückszeit einiger Langschläfer. Aufgrund der Abstinenz von Touristen klappte der Check-In allerdings auch vier Stunden vor der ursprünglich veranschlagten „frühsten“ Zeit ohne Probleme, sodass wir die müden Kadaver erstmal für ein paar Minuten aufs weiche Bett verfrachten konnten.

Letztlich waren es die hungrigen Bäuche, die uns wieder nach draußen trieben. Als erstes Ziel sollte der Hauptbahnhof angesteuert werden. Nicht wegen der Weiterfahrt ins Landesinnere, sondern vielmehr aufgrund des dort beheimateten „Balti Jaama Turg“, der größten Markthalle der Stadt. Futter also garantiert und zudem noch ein kleiner Einblick in die kulinarische Vielfalt des Landes. Letztere erwies sich als der Heimat sehr nahe, wenn man mal von den offensichtlichen russischen Einflüssen absieht. So schlenderte man ein wenig durch die vielen Restaurants und Street Food Ständen, die sich im umgebauten und als sehr modern erweisende Gebäude breit machten, blieben letztlich aber an einer im Vorfeld ausgesuchten Bar und Brauerei hängen: Humalakoda.

Auf der Außenterasse holte man sich nicht nur den ersten Sonnenbrand, sondern genoss direkt eine ganze Reihe von vor Ort gebrauter Bierspezialitäten zu normalen Preisen. Zwischen die Kiefer gabs zunächst das hier überall übliche schwarze Roggenbrot mit feiner Butter, was uns noch in allen Variationen mehrmals täglich über die Füße laufen sollte, als auch ein top Mittagessen. Mit so nem schönen IPA in der Hand lässt es sich definitiv aushalten! Um es vorweg zu nehmen: Als Liebhaber der Craftbeer-Kultur kamen wir in Tallinn voll auf unsere Kosten!

Gesättigt und mit einem halben Dutzend Gläser intus erkundete man nun das alternative und vor allem sehr bunte Viertel „Telliskivi“. Direkt hinter dem Bahnhof weisen große Graffitis bereits den Weg in die alten Industrieanlagen, die von vielen kleinen Geschäften, Bars und Restaurants bevölkert werden. Eine alte Tram wird hier als Bar genutzt, während zwei ausrangierte Bahnwaggons den Rahmen der Außenterasse eines Burgerladens bilden. Nette Gegend, die alleine schon wegen des ausgeprägten Nachtlebens eine Empfehlung wert ist. Für uns stand am heutigen Nachmittag allerdings noch einiges an Touri-Arbeit an, weshalb wir, nach kurzem Stopp zwecks Zimmerverpflegung im nahegelegenen R-Kiosk, der hier wirklich alles Überlebenswichtige verkauft, die Straßen gen Domberg erklommen.

Dort wurde nicht nur das namensgebende Gebäude, sondern auch das Wahrzeichen der Stadt, die Aleksander-Nevski-Kathedrale mit ihren unverkennbaren Türmen, von außen als auch von innen besichtigt. Nett an dieser Stelle war die fast vollständige Abstinenz der sonst üblichen Besucherströme, sodass wir wenig später am ersten von beiden Aussichtspunkten über die Dächer der Stadt komplett alleine standen. Könnte man sich fast schon dran gewöhnen! Von oben wurde dann nochmal die gekonnte Mischung aus erhaltenen, alten Gebäuden mit typisch roten Dächern sowie dem sehr modern anmutenden Zentrum inklusive einer Ballung Hochhäuser bewundert. Ganz andere Welten, die gerade mal einen Tramstopp entfernt voneinander liegen. Die Mischung aus jahrhundertealten Bauten in direkter Verbindung mit modernen Glasbauten gelang hier teilweise im selben Gebäude und sagte uns über den gesamten Trip durchaus zu.

Per Pedes erkundete man nun die engen Gassen der Altstadt und spähte bereits das ein oder andere Etablissement für den nächsten Tag aus. Unter dem Kreischen der unglaublich nervenden und zu tausenden die Stadt bevölkerten Möwen, wobei eines der Sauviecher bei der vorherigen Bar eine unserer am Stuhl hängende Jacken traf, endete der erste Stadtrundgang im zentralen Viru. Hundemüde entschloss man sich zunächst zum Hauptbahnhof zurückzukehren um sich von dort mit irgendwas zu Futtern für den Abend einzudecken. Zu beißen gabs schließlich eine lokale Teigtaschen-Spezialität gefüllt mit Fleisch sowie einen Döner. Muss eben auch mal probiert werden, schlug in Wrap-größe mit sechs Talern aber durchaus heftig zu Buche. Bezahlt wird in Tallinn übrigens ausschließlich kontaktlos mit Karte. Was in manch Laden in der Heimat mit Augenrollen sorgt, ist hier selbstverständlich. Da wird gar nicht davon ausgegangen das irgendwer mit Münzen oder Scheinen zahlt. Und wenn, können manche noch nicht mal passend zurückgeben. Mit vielen neuen Eindrücken stapfte man zurück ins Hotel, zappte noch ein bisschen durchs TV und wanderte fix ins Land der Träume.

Im Regen von Tallinn

Die zehn Stunden Schlaf taten am Ende unglaublich gut. Da konnte uns noch nicht mal das nervige Rattern und Brummen der Klimaanlage nerven, die aufgrund der Abstinenz eines sich öffnen lassenden Fensters in unserem Zimmer bitter nötig war. Genossen wir am Vortag noch sommerliche 18°, schlug am Morgen des Samstages der estnische Sommer mit Regen, Wind und knappen 10° voll ein. Krasses Downgrade, aber hey, tat dem Sonnenbrand auch ganz gut. Daher hatte man es auch gar nicht wirklich eilig, dass, bis auf die Pancakes, höchst mittelmäßige Frühstück reinzuschaufeln. Eine Marmelade zur Auswahl und keine Brötchen, noch nicht mal Toast… Hätten wir uns mehr von versprochen.

Mit abklingendem Regen ging’s für uns nun an den „Tallinna Sadam“, den Fährhafen der Hauptstadt. Nicht nur um sich die gigantischen Schiffe aus Helsinki und deren Be- und Entladung anzuschauen, sondern auch um den Dritten im Bunde für den heutigen Tag einzusammeln. Zu dritt erklomm man nun die „Tallinna Linnahall“, die alte Stadthalle aus Sowjetzeiten, die bewusst dem Verfall ausgesetzt wird. Dennoch ein netter Ausblick und eine beeindruckende Anlage, an der, wie auch in anderen Bereichen des Stadtbildes, Eintracht Frankfurt seine Spuren hinterlassen hat. Aufkleber, eine auf dem Rathausplatz noch immer hängende Fahne oder eben große Graffitis der SGE dominieren in einer Art das Stadtbild, als ob UF hier eine gute Abordnung stellen würde.

Bevor uns der Wind vollständig von den Klippen wehte, enterte man wiederum die Altstadt und ließ sich im Kalev Marzipan Museum nieder. Nettes Café, welches sich selbst als Ältestes in Tallinn bezeichnet. Da man sich schon seit über einem halben Jahr nicht mehr sah, nutzte man die Ruhe für einen ausschweifenden Austausch über Gott und die Welt, was wenig später wetterbedingt auch weiterhin drinnen fortgesetzt wurde. Eigentlich wollte man den Turm der Olaikirche erklimmen, doch bei dem Regen und Wind zog man die bequemen Sofas der Bar „Hell Hunt“ dann doch vor. Ebenso in der Altstadt gelegen ein echter Tipp wiederum an alle Bierliebhaber. Was für eine Bierkarte! So trank man sich schonmal einen ordentlichen Level fürs spätere Spiel an und futterte nebenbei ein paar typisch lokale Snacks wie kleine Teigtaschen gefüllt mit Fleisch oder eben wieder das Schwarzbrot, dieses Mal allerdings mit Knoblauch geröstet. Voll geil!

Im Anschluss ging’s per Tram zur Lilleküla Arena, wo fix noch eine dritte Karte vor Ort erworben werden konnte, ehe man es sich im großen, grün-weißen Rund bei goldgelbem Gerstensaft der namensgebenden Marke A. Le Coq gemütlich machte. Während auf den Rängen weniger los war als gedacht, überzeugte zumindest der Supporthaufen Floras mit einer schicken Pyroshow und mal mehr, mal weniger konstanten Gesängen mit guter Lautstärke. Und auch auf dem Rasen wurde man Zeuge eines unterhaltsamen Spiels, an dessen Ende sich die Gastgeber verdient durchsetzen. Mehr zum Spiel findet ihr hier.

Aufgrund der gewählten Fährverbindung mussten wir uns von unserem heutigen Begleiter noch vor Abpfiff wieder verabschieden, sodass es letztlich zu Zwei zunächst zurück zum Hotel ging. Von dort lief man die gut 45 Minuten durch Wohngebiete (viele mit buntem Holz vertäfelte Häuser, da fühlte man sich echt wie ganz hoch im Norden) gen Norden zur Brauerei Põhjala, die stilecht in einer alten Werft beheimatet ist, ganz nach ihrem Vorbild von Stone/Brewdog in Berlin. Nicht die einzigen Parallelen, las sich das Futter-Menü doch nahezu identisch, bis hin zur Größe und dem Font der Schrift. Hier konnte man aus 24 frisch gezapften Bieren wählen und dazu auch noch ein astreines Abendessen verputzen. So muss Länderpunktfeier! Fleisch wohin das Auge reicht, sag ich euch!

Alles zu probieren schaffte man leider nicht, was zum einen am dann doch recht hohen Alkoholgehalt der Brauerzeugnisse, zum anderen aber auch an der Reisekasse lag. Denn die wäre bei Preisen von fünf Talern pro Glas wohl schneller leer als in Stadien auf der Insel ihrer Majestät. Stark wankend, aber auch absolut glücklich entschied man sich für die Heimfahrt per Bus, der uns bei noch immer untergehender Sonne irgendwann nach elf an der Hotelpforte ausspuckte.

Katharinental

Sonntag natürlich erstmal ausschlafen, dachte man doch schon wieder an die frühe Abreisezeit am Montag. Doch zunächst stand der letzte Programmtag an, der mal wieder mit dem faden Hotelfrühstück begann. Dieses Mal setzte man zumindest voll auf die Pancakes mit Himbeermarmelade, denn damit konnte man wenig falsch machen. Erstes Ziel danach war der Stadtteil Kadriorg, welchen man bequem mit der Tram bis zur Endhaltestelle erreichte. Dort erkundete man in der Folge das in einem großen Park gelegene Schloss Katharinental, welches von Peter dem Großen zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet wurde. Ein schönes Gebäude, umrandet von sehr gepflegten Gärten und beim heute deutlich besseren Wetter auch Ausflugsziel zahlreicher städtischer Familien.

Viel mehr als eine Runde im Parkgelände zu drehen gab’s hier allerdings nicht zu tun, also ging es nach einiger Zeit auf die nördliche Route. Direkt am Ostseestrand thront hier das Russalka-Denkmal, welches an den Untergang des gleichnamigen russischen Marineschiffes im Jahre 1893 erinnert. Direkt dahinter erstreckt sich auch schon der lange und fast vollständig leere Sandstrand. Gut, bei Temperaturen von etwa 17° beileibe kein Badewetter und daher auch verständlich. In der Sonne konnte man es allerdings gut aushalten, sodass man sich am nahen Verkaufsstand ein Eis schnappte und einfach mal eine Stunde auf den bereitgestellten Holzliegen verweilte. Soll sich eben auch mal wie Urlaub anfühlen!

Irgendwann knurrten dann aber auch die Mägen, was uns per Bus wieder gen Altstadt bewegte. Dort stattete man dem „Beer House“ einen Besuch ab, welches im Vorfeld mit selbstgebrautem Bier und lokalen Speisen warb. Vorweg: Könnt ihr euch sparen. Beim Anblick der Mittagskarte, welche so auch im eigenen Stammlokal in Frankfurt liegen könnte, verging direkt die Lust auf die angepriesenen deftigen Gerichte. Wenn ich ne Schweinshaxe will, fahr ich nach Bayern. Im Endeffekt bestellte man wieder drei kleine Knabbergerichte (inklusive Knobi-Roggenbrot, versteht sich) und probierte sich durch die Bier, die allesamt das Prädikat „muss man nicht nochmal haben“ verdienten. Auch die Preise eher für Touristen. Sucht euch was anderes.

Mit voranschreitender Zeit zahlte man schließlich viel zu viel für ein Mittagessen und lief zur nächsten Bushaltestelle. Von dort ging es nun in den südöstlichen Tallinner Stadtteil Nõmme, den man in einer guten halben Stunde erreichte. Nachdem man den lokalen Markt im Zentrum besichtigte, legten wir den restlichen Weg bis in den Bezirk Hiiu zu Fuß zurück und erkundeten ein wenig die als Waldstadt bezeichnete Gegend. Den Namen hat sie auch definitiv verdient, kann man doch durch die vielen Bäume zwischen den einzelnen Häusern oft nur wenige Straßen weit blicken.

Eine halbe Stunde Fußmarsch und eine Skisprungschanze später standen wir auch schon an der Heimspielstätte von Nõmme Kalju, seines  Zeichens zweifacher estnischer Meister. Mit den im Vorfeld ausgedruckten Tickets ging’s fix hinein in die kleine Anlage, die lediglich mit einer Holztribüne und einer dubiosen Stahlrohrtribüne aufwartete. Nix besonderes, dafür war zumindest stimmungstechnisch einiges geboten. Nach einem wortwörtlichen Feuerwerk hinter dem Block legte der kleine Haufen der Heimseite zunächst verhalten los, gefiel im späteren Verlauf mit einigen textlastigen und vor allem noch nie gehörten Melodien mit leicht nordischem Flair. Im Zusammenspiel mit dem klasse Wetter ließ es sich da wirklich aushalten! Mehr zum Spiel findet ihr hier.

Mit dem zweiten und für dieses Mal auch letzten Ground im Gepäck ging es nun wieder auf die Rückreise gen Stadt. Leider verpasste man den nächsten Bus und stand sich daher eine halbe Stunde lang die Beine in den Bauch, aber Zeit hatte man den Rest des Tages zum Glück genug. Nach kurzem Umstieg in einen O-Bus konnte man zumindest ein paar Blicke auf die Plattenbau-Viertel des Stadtteils Kristiine werfen, die wohl eher den Alltag für den Großteil der Tallinner Einwohner darstellt. Von denen gibt es im Stadtgebiet übrigens etwa 430.000, was, inklusive der umliegenden Metropolregion, fast die Hälfte der gut 1,3 Millionen Esten ausmacht. Ebenfalls interessant: Durch die Nähe zu Russland und der Vergangenheit in der Sowjetunion ist die Muttersprache von nahezu der Hälfte der in Tallinn lebenden Einwohner Russisch. Sonderlich viel Kyrillisch bekamen wir allerdings nicht zu Gesicht.

Mit dem O-Bus fuhren wir unterdessen bis zur Endstation am Hauptbahnhof („Balti Jaam“; baltischer Bahnhof) und statteten dem liebgewonnenen Viertel Telliskivi einen letzten Besuch ab. Zwecks Abendessen kehrten wir im F-hoone ein, einem schick eingerichteten Restaurant. Je eine Portion Lachs und Nudeln sowie selbstgemachtem Kuchen später lief man auch schon wieder zurück zum Hotel und packte seine drei Sachen zusammen. Nach drei Tagen laufen erfreuten sich die Füße am Anblick des weichen Bettes mit beistehender Flimmerkiste unendlich.

Zurück in den Sommer

Der Montag startete dann mal wieder mit Pancakes und dem Packen der letzten Habseligkeiten. Danach fix ausgecheckt und per Bus nach Viru, von wo aus die Tram gen Flughafen genommen wurde. Bei der Anzahl an Bus- und Tramfahrten lohnten sich die 72-Stunden Tickets auf jeden Fall, zumal für gewöhnlich zwischen 1,50 und 2€ pro Fahrt hingeblättert werden müssen. Am Flughafen herrschte, wie schon am Freitag in Frankfurt, gähnende Leere. Kein Wunder, bei gerade Mal 15 anstehenden Flügen für den Rest des Tages. Zum Glück konnten wir mit unserem Handgepäck die lange Schlange am Check-in Schalter übergehen und direkt durch die Kontrollen zum Gate latschen.

Absolut gemütliches Terminal, was mal so gar nicht nach Flughafen aussieht. Wobei, wer schonmal in Helsinki war, wird gewisse Parallelen erkennen. Da ist jeder Wartebereich am Gate individuell gestaltet, bis hin zu Themen wie Bibliotheken oder diverse Lounge-Sessel. Entsprechend konnte man die letzten Minuten bis zum einzigen Flug hier innerhalb von vier Stunden auch gut totschlagen. Im Flieger war dann nix mit Abstand oder freiem Mittelsitz wie im Hinflug, sondern eine bis auf den letzten Platz ausgebuchte Maschine angesagt. Bis auf eine Wasserflasche aber wiederum Ebbe auf der Verpflegungsseite, was uns mit hungrigen Bäuchen zur Mittagszeit in der Mainstadt aufschlagen ließ. Nach vier Stunden Maske tragen kann man mich allerdings mit weiteren Verlängerungen jagen, weshalb wir schnurstracks durch das nun brechend volle Terminal liefen und die nächstbeste S-Bahn in die heimischen Gefilde nahmen. Nach vier Tagen bei maximal 18° auch wieder eine Rückkehr ins Warme. Quasi Sommer sogar. Ich fands im hohen Norden allerdings deutlich angenehmer.

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Fazit zu vier Tagen Tallinn: Definitiv eine Reise wert! Eine schöne Stadt, in der es zumindest für ein paar Tage viel zu entdecken gibt. Dazu vor allem ein absoluter Tipp an alle Craftbeer-Liebhaber, die mal wieder etwas Neues entdecken wollen. Kulinarisch zudem absolut zufriedenstellend, wenn man die offensichtlichen Touri-Lokalitäten der Altstadt links liegen lässt. Zu guter Letzt in Zeiten von Corona fussballtechnisch eines der besten Länder, was man derzeit besuchen kann. Viel mehr ist auch unter normalen Umständen in den hiesigen Stadien nicht los, aber das Gesehene war schlichtweg eine grandiose Ablenkung vom monatelangen Entzug.